Zusätzliches Territorium bei Stadtgründung. +1 Glauben und +1 Produktion durch Tundra.
Historischer Kontext
Bojaren, Kosaken, Zwiebeltürme, schneebedeckte Landschaften, das sibirische "Ödland", sorgenfreie Leibeigene, aufwühlende Kompositionen, endloser Winter und eisgekühlter Wodka. Die Romantik Russlands erscheint auf den ersten Blick anziehend, doch seine wahre Geschichte regt zu Zweifeln an ... besonders, wenn man den Leibeigenen zuhört. Russland, mit einem Fuß in Europa und dem anderen in Asien, hat den Lauf der Weltgeschichte wie nur wenige andere Nationen entscheidend geprägt. Die Wurzeln des Landes liegen bei der ersten Besiedlung Nowgorods durch die Norweger und der Errichtung der Kiewer Rus um 882 durch Oleg, der die Ilmenslawen, die Finno-Ugren, Wepsen und Woten unterwerfen konnte, die das Gebiet bewohnten - doch hier vermischt sich die Geschichte mit Mythen und Legenden. Fangen wir also mit dem Aufstieg des Großfürstentums Moskau an.
Alles begann mit Prinz Daniel von Moskau, dem vierten und jüngsten Sohn des berühmten Alexander Newski. Als der alte Mann 1263 starb, erbte der zweijährige Daniel das Landstück mit dem geringsten Wert, ein kleines, abgelegenes Fürstentum namens Moskau. Er verbrachte die nächsten Jahrzehnte damit, seine missgünstigen Brüder und die westwärts reitenden Mongolen abzuwehren. Trotz all dieser Geschwisterstreitigkeiten und Mongolenangriffe konnte Daniel sein Reich größtenteils aus der Schusslinie halten (er wurde 1652 sogar von der orthodoxen Kirche wegen seiner "Ergebenheit, Demut und Friedfertigkeit" heiliggesprochen). Dies erreichte er, indem er der Goldenen Horde Tribut zahlte, was sich als schlauer Schachzug herausstellte. Der Prinz fügte seinen Ländereien nach und nach "friedlich" weitere Gebiete hinzu, als seine nahen und entfernten Verwandten starben - so war Moskau zu Daniels Tod im Jahr 1303 zum "Großfürstentum" angewachsen.
Auf Daniel folgten einige fähige, aber nicht ganz so friedfertige, Großfürsten. Moskau erlangte aber erst unter Großfürst Iwan III. (auch "der Große" genannt) weitreichenden Einfluss. Während seiner 40 Jahre andauernden Herrschaft (1462 bis 1505) verdreifachte er die Größe Moskaus, indem er unter anderem die Republik Nowgorod und das Fürstentum Twer annektierte, die Tributzahlungen an die Horde einstellte, das Grundgerüst für eine Zentralverwaltung aufbaute, die Abhängigkeit von den Bojaren einschränkte, und den Kreml renovieren ließ (die Zitadelle, die der Rurikiden-Dynastie als Herrschaftssitz diente). Nachdem Iwan den Kern Russlands vereint hatte, nahm er die Titel "Zar" und "Selbstherrscher aller Russen" an. Obwohl Iwan IV. (mit dem freundlichen Beinamen "der Schreckliche" als Erster offiziell zum "Zaren" gekrönt wurde, war die Vereinigung Russlands doch von Iwan III. begonnen worden.
Da Iwan IV. ein größenwahnsinniger Soziopath war, hatte er eine schwere Kindheit. Sein Vater starb, als Iwan drei Jahre alt und recht kränklich war und so steckte seine hinausgezögerte Herrschaft voller politischer Intrigen, unter denen Iwan entsprechend zu leiden hatte. Als er schließlich volljährig wurde, lief es sogar noch schlechter - man könnte sogar "schrecklich" sagen. Man weiß erstaunlich wenig über den Mann Iwan, außer dass er oft krank und sechsmal verheiratet war. Als er endlich aus eigener Kraft zum König wurde, begann er damit, seine Macht auszuweiten - und zwar auf Kosten so ziemlich aller in seinem näheren Umfeld. Die eigenständig denkenden Adligen wurden vom Hof des Zaren gejagt und durch speichelleckerische Rabauken ersetzt, die höheren militärischen Dienstgrade wurden einfach entfernt. Iwan erklärte Tausende Quadratkilometer besten Ackerlandes zur "Opritschnina" - mit anderen Worten zum Staatsterritorium des Zaren - über das Iwan die alleinige Verfügungsgewalt hatte. Iwan war als militärischer Anführer genau so gut wie als Menschenfreund: Er vernichtete buchstäblich die Armee und ließ das Land durch den katastrophalen Livländischen Krieg bankrottgehen, der sich über 25 Jahre hinzog. Iwan starb 1584 - und damit keinen Moment zu früh.
Eine Generation später wurde die Rurikiden-Dynastie von den Romanows abgelöst. Nach dem Tod Fjodors I. (dem Sohn Ivans IV.) stolperte Russland in eine Krise, die auch als "Zeit der Wirren" bekannt ist, da Fjodor keine männlichen Nachfolger hatte. Das russische Parlament wählte schließlich Boris Godunow zum neuen Zaren und er herrschte sieben Jahre lang - wobei er es mit einer Reihe von Scharlatanen zu tun hatte, den "Pseudodimitris" (die allesamt behaupteten, Fjodors lange verstorbener jüngerer Bruder zu sein. All dies, ebenso wie von Fremden gestellte Ansprüche, endete schließlich, als die Bojaren Michail Romanow 1613 auf den Thron wählten. Die Romanows herrschten ununterbrochen, bis ihr letzter Vertreter in einem Keller in Jekaterinburg von Bolschewiken erschossen wurde.
Für tyrannische Despoten waren die Romanow-Zaren gar nicht so übel. Mehrere von ihnen erhielten sogar den Beinamen "der Große" und einige von ihnen hätten ihn verdient gehabt, wenn es nicht schon einen Namensvetter gegeben hätte. Die ersten Romanows schlossen Verträge mit Schweden, Polen-Litauen und ukrainischen Kosaken ab, die sich in den Dienst des Zaren stellten. Leider gab es dank neuer, strengerer Regeln für Leibeigene auch viele Bauernaufstände wie den Salzaufstand, den Kupferaufstand und weitere Moskauer Aufstände. Diesen kam man mit den damals üblichen Mitteln bei. Russland wuchs weiter, vor allem durch die Eroberung und Besiedlung ostwärts in Richtung Sibirien.
Dann kamen die Großen. Peter der Große brachte dem Zarenreich durch eine Reihe erfolgreicher Kriege gegen die Osmanen und Schweden Warmwasser-Häfen, wodurch das Land eine Verbindung zu Europa hatte. Und so hievte er Russland - sprichwörtlich an den Haaren - in das Zeitalter der Renaissance. Vierzig Jahre nach Peters Tod leitete Katharina die Große - die übrigens nicht in Russland geboren worden war - das berühmte "goldene Zeitalter" des Reiches ein ... und begann aus unerfindlichen Gründen mit der Kolonisierung des entlegenen Alaskas. Zar Alexander I. "der Gesegnete" führte Russland durch die schweren Zeiten der Napoléonischen Kriege, besiegte diesen während der Invasion (hauptsächlich, indem er den Kampf mied und stattdessen lieber alles vor den Franzosen in Brand steckte), und verschaffte seiner Nation nach der "Griechischen Revolution" 1821 einen festen Sitz in der Balkan-Zwickmühle. Danach kam Alexander "der Zar-Befreier", der trotz vieler Errungenschaften (wie eben der Befreiung der Leibeigenen) ermordet wurde.
Während dieser langen Jahre entwickelte Russland eine einzigartige Kultur und brachte immer wieder hervorragende Leistungen in Literatur, Musik, Tanz und Architektur hervor. Bevor Peter der Große europäischen Einflüssen die Tür weit öffnete, waren russische Volkskunst und das Kunsthandwerk stark slawisch und vom orthodoxen Christentum geprägt. Konstantinopels erstes und weitestreichendes Bekehrungsprogramm bestand in der Aussendung von Missionaren in die Kiewer Rus und Mitte des 10. Jahrhunderts hatte die griechisch-orthodoxe Kirche schon einen Großteil der einfachen russischen Bevölkerung überzeugt und tut dies bis heute. Weitere Einflüsse, besonders aus Skandinavien und Asien, gesellten sich während der Rurikiden- und ersten Romanow-Dynastien hinzu. Seitdem haben Auswanderer die russische Kultur in die ganze Welt getragen und nur wenige Völker waren so einflussreich, was die Wertschätzung der feinen Dinge angeht.
In der Literatur machten slawische Bylinas Platz für die Werke epischen Ausmaßes von Schriftstellern wie Gogol, Dostojewski und Tolstoi ... Der große Tschechow hingegen schaffte es, sich mit weniger Wörtern auszudrücken. Die einfachen Harmonien der ethnischen Volksmusik, die etwa auf Balalaika, Garmon und Schaleika gespielt wurden, entwickelten sich zu solch komplexen und ergreifenden Kompositionen wie denen von Glinka, Mussorgski, Rimski-Korsakow und Tschaikowski, dem vielleicht großartigsten Komponisten der Romantik. Auf die bäuerlichen Tänze Chorowod und Barinja, die sich in Russland bis heute großer Beliebtheit erfreuen, folgte das vor allem bei der kulturellen Elite geschätzte Ballett, das - wie könnte es anders sein - erstmals von Peter dem Großen nach Sankt Petersburg gebracht wurde.
Einer der vielleicht prominentesten Aspekte der russischen Kultur (zumindest für den durchschnittlich gebildeten Menschen) ist die Architektur. Mit der orthodoxen Kirche kam auch die byzantinische Architektur, die sich in den einzigen Steingebäuden zeigte: Befestigungen und Kirchen. Als Peter der Große das Land gen Westen öffnete und eine Renaissance der Künste unterstützte, schlich sich auch eine Prise Rokoko in die russische Architektur ein. Unter Katharina und den Alexandern wurde die Hauptstadt Sankt Petersburg zu einem regelrechten Museum für neoklassizistische Architektur (bevor der grau-in-graue sowjetische Stil Einzug hielt).
Russland hat eher wenige berühmte oder auch nur bekannte Maler und Bildhauer hervorgebracht. Doch der folkloristische Kunststil ist wohl von jedem leicht zu erkennen. Die Matrjoschka-Puppe, bestehend aus mehreren ineinandergesteckten und bunt bemalten Figuren, erfreut sich allgemeiner Beliebtheit und wird für den Feiertagsverkauf weltweit hergestellt. Russische Ikonen - fein ausgearbeitete und oftmals vergoldete auf Holz gemalte religiöse Bilder - flossen mit dem orthodoxen Christentum in das slawische Bewusstsein ein und wurden zu einer eigenen Kunstform, die sich auch die großen Meister des frühen Russlands zu eigen machten. Das Wort "Gschel" sagt wohl nur wenigen etwas, doch die leicht erkennbaren Keramikarbeiten, für die es steht, sind unverwechselbar.
Auf den Sohn des Befreiers, genannt Alexander "der Friedensstifter", folgte der letzte anerkannte Romanow, der Russland regieren sollte - der verwandte, aber recht untaugliche Nikolaus II. (der zu seinem Glück keinen zusätzlichen Namen erhielt). Nikolaus übernahm ein Russland voller innen- wie außenpolitischer Probleme. Er glaubte fest an einen "wohlwollenden" autokratischen Regierungsstil und betrachtete den Zaren als eine Art "kleinen Vater" des Volkes. Er behielt die konservative Politik seines Vaters bei, was sich jedoch als Fehler herausstellte. Seine Hochzeit mit einer unbeliebten deutschen Prinzessin trug ebenfalls nicht zu seinem Ruhm bei.
Um 1900 hatte Russland dringenden Reform- und Modernisierungsbedarf - was aber geschah, brachte stattdessen Unterdrückung und Blutvergießen. Nikolaus war durch seine Hofierer von der Außenwelt abgeschnitten (unter ihnen auch der recht unsympathische Rasputin) und so konnte er weder die landwirtschaftliche noch die industrielle Produktion ankurbeln, wodurch Russland hinter die anderen europäischen Nationen zurückfiel. Zudem fehlte ihm in Zeiten der wachsenden Unzufriedenheit auch der Reformeifer in der Politik - obwohl er von der britischen Version der Demokratie stark beeindruckt war. So verprellte er letztlich die Duma, ein Beratungsorgan, das er selbst eingeführt hatte.
Als Nikolaus II. einen Versuch unternahm, das wankende Staatsschiff wieder auf Kurs zu bringen, verschlimmerte er die Lage nur noch weiter. Die meisten seiner Untertanen verurteilten ihn für Ereignisse wie die Massenpanik auf dem Chodynkafeld, den Petersburger Blutsonntag, antisemitische Pogrome, die Repressalien nach der gescheiterten Revolution von 1905 und zahlreiche Hinrichtungen von politischen Feinden. Zudem verwickelte er Russland in desaströse Militäroperationen wie einen Krieg gegen das Japanische Kaiserreich, den Russland 1905 schmachvoll verlor. Hier zeigte sich der Reform- und Modernisierungsbedarf des russischen Militärs (auf den Gebieten Taktik, Ausbildung, Ausrüstung und so weiter) - doch es geschah nichts und so gab es weitere Vorfälle wie die Meuterei auf dem Marineschiff Potjomkin. Dies alles und Russlands Beteiligung am Ersten Weltkrieg waren Zeugnis von Nikolaus' Fehlentscheidungen.
Im Februar 1917 litt das Volk in den Städten wegen Nahrungsmittelknappheit und eines strengen Winters sowie knappen Kohle- und Holzbeständen unter Hunger und Kälte. Als zudem noch die Polizei in Sankt Petersburg das Feuer auf demonstrierende Bürger eröffnete, brachen gewaltsame Proteste für ein baldiges Kriegsende und die Absetzung des Zaren aus. Trotz anfänglicher Versuche, die Lage unter Kontrolle zu bringen, brach die öffentliche Ordnung in der Hauptstadt komplett zusammen, als sich zunächst das Wolinski-Regiment und dann noch weitere Einheiten weigerten, ihre Befehle auszuführen. Die Duma bildete eine demokratische Übergangsregierung und Nikolaus dankte ab (sein Bruder Michael lehnte klugerweise das Angebot der Duma ab, seinem Bruder auf den Thron nachzufolgen). Die Demokratie, die nun das Russische Reich abgelöst hatte, wurde schon bald selbst von der Sowjetunion abgelöst.
Europa und Asien (und kurzzeitig ein Teil Nordamerikas)
Fläche
Etwa 21,8 Millionen Quadratkilometer
Bevölkerung
Etwa 181,5 Millionen
Hauptstadt
Moskau, dann St. Petersburg
Einzigartige Fähigkeit
Mütterchen Russland
Zusätzliches Territorium bei Stadtgründung. +1 Glauben und +1 Produktion durch Tundra.
Historischer Kontext
Bojaren, Kosaken, Zwiebeltürme, schneebedeckte Landschaften, das sibirische "Ödland", sorgenfreie Leibeigene, aufwühlende Kompositionen, endloser Winter und eisgekühlter Wodka. Die Romantik Russlands erscheint auf den ersten Blick anziehend, doch seine wahre Geschichte regt zu Zweifeln an ... besonders, wenn man den Leibeigenen zuhört. Russland, mit einem Fuß in Europa und dem anderen in Asien, hat den Lauf der Weltgeschichte wie nur wenige andere Nationen entscheidend geprägt. Die Wurzeln des Landes liegen bei der ersten Besiedlung Nowgorods durch die Norweger und der Errichtung der Kiewer Rus um 882 durch Oleg, der die Ilmenslawen, die Finno-Ugren, Wepsen und Woten unterwerfen konnte, die das Gebiet bewohnten - doch hier vermischt sich die Geschichte mit Mythen und Legenden. Fangen wir also mit dem Aufstieg des Großfürstentums Moskau an.
Alles begann mit Prinz Daniel von Moskau, dem vierten und jüngsten Sohn des berühmten Alexander Newski. Als der alte Mann 1263 starb, erbte der zweijährige Daniel das Landstück mit dem geringsten Wert, ein kleines, abgelegenes Fürstentum namens Moskau. Er verbrachte die nächsten Jahrzehnte damit, seine missgünstigen Brüder und die westwärts reitenden Mongolen abzuwehren. Trotz all dieser Geschwisterstreitigkeiten und Mongolenangriffe konnte Daniel sein Reich größtenteils aus der Schusslinie halten (er wurde 1652 sogar von der orthodoxen Kirche wegen seiner "Ergebenheit, Demut und Friedfertigkeit" heiliggesprochen). Dies erreichte er, indem er der Goldenen Horde Tribut zahlte, was sich als schlauer Schachzug herausstellte. Der Prinz fügte seinen Ländereien nach und nach "friedlich" weitere Gebiete hinzu, als seine nahen und entfernten Verwandten starben - so war Moskau zu Daniels Tod im Jahr 1303 zum "Großfürstentum" angewachsen.
Auf Daniel folgten einige fähige, aber nicht ganz so friedfertige, Großfürsten. Moskau erlangte aber erst unter Großfürst Iwan III. (auch "der Große" genannt) weitreichenden Einfluss. Während seiner 40 Jahre andauernden Herrschaft (1462 bis 1505) verdreifachte er die Größe Moskaus, indem er unter anderem die Republik Nowgorod und das Fürstentum Twer annektierte, die Tributzahlungen an die Horde einstellte, das Grundgerüst für eine Zentralverwaltung aufbaute, die Abhängigkeit von den Bojaren einschränkte, und den Kreml renovieren ließ (die Zitadelle, die der Rurikiden-Dynastie als Herrschaftssitz diente). Nachdem Iwan den Kern Russlands vereint hatte, nahm er die Titel "Zar" und "Selbstherrscher aller Russen" an. Obwohl Iwan IV. (mit dem freundlichen Beinamen "der Schreckliche" als Erster offiziell zum "Zaren" gekrönt wurde, war die Vereinigung Russlands doch von Iwan III. begonnen worden.
Da Iwan IV. ein größenwahnsinniger Soziopath war, hatte er eine schwere Kindheit. Sein Vater starb, als Iwan drei Jahre alt und recht kränklich war und so steckte seine hinausgezögerte Herrschaft voller politischer Intrigen, unter denen Iwan entsprechend zu leiden hatte. Als er schließlich volljährig wurde, lief es sogar noch schlechter - man könnte sogar "schrecklich" sagen. Man weiß erstaunlich wenig über den Mann Iwan, außer dass er oft krank und sechsmal verheiratet war. Als er endlich aus eigener Kraft zum König wurde, begann er damit, seine Macht auszuweiten - und zwar auf Kosten so ziemlich aller in seinem näheren Umfeld. Die eigenständig denkenden Adligen wurden vom Hof des Zaren gejagt und durch speichelleckerische Rabauken ersetzt, die höheren militärischen Dienstgrade wurden einfach entfernt. Iwan erklärte Tausende Quadratkilometer besten Ackerlandes zur "Opritschnina" - mit anderen Worten zum Staatsterritorium des Zaren - über das Iwan die alleinige Verfügungsgewalt hatte. Iwan war als militärischer Anführer genau so gut wie als Menschenfreund: Er vernichtete buchstäblich die Armee und ließ das Land durch den katastrophalen Livländischen Krieg bankrottgehen, der sich über 25 Jahre hinzog. Iwan starb 1584 - und damit keinen Moment zu früh.
Eine Generation später wurde die Rurikiden-Dynastie von den Romanows abgelöst. Nach dem Tod Fjodors I. (dem Sohn Ivans IV.) stolperte Russland in eine Krise, die auch als "Zeit der Wirren" bekannt ist, da Fjodor keine männlichen Nachfolger hatte. Das russische Parlament wählte schließlich Boris Godunow zum neuen Zaren und er herrschte sieben Jahre lang - wobei er es mit einer Reihe von Scharlatanen zu tun hatte, den "Pseudodimitris" (die allesamt behaupteten, Fjodors lange verstorbener jüngerer Bruder zu sein. All dies, ebenso wie von Fremden gestellte Ansprüche, endete schließlich, als die Bojaren Michail Romanow 1613 auf den Thron wählten. Die Romanows herrschten ununterbrochen, bis ihr letzter Vertreter in einem Keller in Jekaterinburg von Bolschewiken erschossen wurde.
Für tyrannische Despoten waren die Romanow-Zaren gar nicht so übel. Mehrere von ihnen erhielten sogar den Beinamen "der Große" und einige von ihnen hätten ihn verdient gehabt, wenn es nicht schon einen Namensvetter gegeben hätte. Die ersten Romanows schlossen Verträge mit Schweden, Polen-Litauen und ukrainischen Kosaken ab, die sich in den Dienst des Zaren stellten. Leider gab es dank neuer, strengerer Regeln für Leibeigene auch viele Bauernaufstände wie den Salzaufstand, den Kupferaufstand und weitere Moskauer Aufstände. Diesen kam man mit den damals üblichen Mitteln bei. Russland wuchs weiter, vor allem durch die Eroberung und Besiedlung ostwärts in Richtung Sibirien.
Dann kamen die Großen. Peter der Große brachte dem Zarenreich durch eine Reihe erfolgreicher Kriege gegen die Osmanen und Schweden Warmwasser-Häfen, wodurch das Land eine Verbindung zu Europa hatte. Und so hievte er Russland - sprichwörtlich an den Haaren - in das Zeitalter der Renaissance. Vierzig Jahre nach Peters Tod leitete Katharina die Große - die übrigens nicht in Russland geboren worden war - das berühmte "goldene Zeitalter" des Reiches ein ... und begann aus unerfindlichen Gründen mit der Kolonisierung des entlegenen Alaskas. Zar Alexander I. "der Gesegnete" führte Russland durch die schweren Zeiten der Napoléonischen Kriege, besiegte diesen während der Invasion (hauptsächlich, indem er den Kampf mied und stattdessen lieber alles vor den Franzosen in Brand steckte), und verschaffte seiner Nation nach der "Griechischen Revolution" 1821 einen festen Sitz in der Balkan-Zwickmühle. Danach kam Alexander "der Zar-Befreier", der trotz vieler Errungenschaften (wie eben der Befreiung der Leibeigenen) ermordet wurde.
Während dieser langen Jahre entwickelte Russland eine einzigartige Kultur und brachte immer wieder hervorragende Leistungen in Literatur, Musik, Tanz und Architektur hervor. Bevor Peter der Große europäischen Einflüssen die Tür weit öffnete, waren russische Volkskunst und das Kunsthandwerk stark slawisch und vom orthodoxen Christentum geprägt. Konstantinopels erstes und weitestreichendes Bekehrungsprogramm bestand in der Aussendung von Missionaren in die Kiewer Rus und Mitte des 10. Jahrhunderts hatte die griechisch-orthodoxe Kirche schon einen Großteil der einfachen russischen Bevölkerung überzeugt und tut dies bis heute. Weitere Einflüsse, besonders aus Skandinavien und Asien, gesellten sich während der Rurikiden- und ersten Romanow-Dynastien hinzu. Seitdem haben Auswanderer die russische Kultur in die ganze Welt getragen und nur wenige Völker waren so einflussreich, was die Wertschätzung der feinen Dinge angeht.
In der Literatur machten slawische Bylinas Platz für die Werke epischen Ausmaßes von Schriftstellern wie Gogol, Dostojewski und Tolstoi ... Der große Tschechow hingegen schaffte es, sich mit weniger Wörtern auszudrücken. Die einfachen Harmonien der ethnischen Volksmusik, die etwa auf Balalaika, Garmon und Schaleika gespielt wurden, entwickelten sich zu solch komplexen und ergreifenden Kompositionen wie denen von Glinka, Mussorgski, Rimski-Korsakow und Tschaikowski, dem vielleicht großartigsten Komponisten der Romantik. Auf die bäuerlichen Tänze Chorowod und Barinja, die sich in Russland bis heute großer Beliebtheit erfreuen, folgte das vor allem bei der kulturellen Elite geschätzte Ballett, das - wie könnte es anders sein - erstmals von Peter dem Großen nach Sankt Petersburg gebracht wurde.
Einer der vielleicht prominentesten Aspekte der russischen Kultur (zumindest für den durchschnittlich gebildeten Menschen) ist die Architektur. Mit der orthodoxen Kirche kam auch die byzantinische Architektur, die sich in den einzigen Steingebäuden zeigte: Befestigungen und Kirchen. Als Peter der Große das Land gen Westen öffnete und eine Renaissance der Künste unterstützte, schlich sich auch eine Prise Rokoko in die russische Architektur ein. Unter Katharina und den Alexandern wurde die Hauptstadt Sankt Petersburg zu einem regelrechten Museum für neoklassizistische Architektur (bevor der grau-in-graue sowjetische Stil Einzug hielt).
Russland hat eher wenige berühmte oder auch nur bekannte Maler und Bildhauer hervorgebracht. Doch der folkloristische Kunststil ist wohl von jedem leicht zu erkennen. Die Matrjoschka-Puppe, bestehend aus mehreren ineinandergesteckten und bunt bemalten Figuren, erfreut sich allgemeiner Beliebtheit und wird für den Feiertagsverkauf weltweit hergestellt. Russische Ikonen - fein ausgearbeitete und oftmals vergoldete auf Holz gemalte religiöse Bilder - flossen mit dem orthodoxen Christentum in das slawische Bewusstsein ein und wurden zu einer eigenen Kunstform, die sich auch die großen Meister des frühen Russlands zu eigen machten. Das Wort "Gschel" sagt wohl nur wenigen etwas, doch die leicht erkennbaren Keramikarbeiten, für die es steht, sind unverwechselbar.
Auf den Sohn des Befreiers, genannt Alexander "der Friedensstifter", folgte der letzte anerkannte Romanow, der Russland regieren sollte - der verwandte, aber recht untaugliche Nikolaus II. (der zu seinem Glück keinen zusätzlichen Namen erhielt). Nikolaus übernahm ein Russland voller innen- wie außenpolitischer Probleme. Er glaubte fest an einen "wohlwollenden" autokratischen Regierungsstil und betrachtete den Zaren als eine Art "kleinen Vater" des Volkes. Er behielt die konservative Politik seines Vaters bei, was sich jedoch als Fehler herausstellte. Seine Hochzeit mit einer unbeliebten deutschen Prinzessin trug ebenfalls nicht zu seinem Ruhm bei.
Um 1900 hatte Russland dringenden Reform- und Modernisierungsbedarf - was aber geschah, brachte stattdessen Unterdrückung und Blutvergießen. Nikolaus war durch seine Hofierer von der Außenwelt abgeschnitten (unter ihnen auch der recht unsympathische Rasputin) und so konnte er weder die landwirtschaftliche noch die industrielle Produktion ankurbeln, wodurch Russland hinter die anderen europäischen Nationen zurückfiel. Zudem fehlte ihm in Zeiten der wachsenden Unzufriedenheit auch der Reformeifer in der Politik - obwohl er von der britischen Version der Demokratie stark beeindruckt war. So verprellte er letztlich die Duma, ein Beratungsorgan, das er selbst eingeführt hatte.
Als Nikolaus II. einen Versuch unternahm, das wankende Staatsschiff wieder auf Kurs zu bringen, verschlimmerte er die Lage nur noch weiter. Die meisten seiner Untertanen verurteilten ihn für Ereignisse wie die Massenpanik auf dem Chodynkafeld, den Petersburger Blutsonntag, antisemitische Pogrome, die Repressalien nach der gescheiterten Revolution von 1905 und zahlreiche Hinrichtungen von politischen Feinden. Zudem verwickelte er Russland in desaströse Militäroperationen wie einen Krieg gegen das Japanische Kaiserreich, den Russland 1905 schmachvoll verlor. Hier zeigte sich der Reform- und Modernisierungsbedarf des russischen Militärs (auf den Gebieten Taktik, Ausbildung, Ausrüstung und so weiter) - doch es geschah nichts und so gab es weitere Vorfälle wie die Meuterei auf dem Marineschiff Potjomkin. Dies alles und Russlands Beteiligung am Ersten Weltkrieg waren Zeugnis von Nikolaus' Fehlentscheidungen.
Im Februar 1917 litt das Volk in den Städten wegen Nahrungsmittelknappheit und eines strengen Winters sowie knappen Kohle- und Holzbeständen unter Hunger und Kälte. Als zudem noch die Polizei in Sankt Petersburg das Feuer auf demonstrierende Bürger eröffnete, brachen gewaltsame Proteste für ein baldiges Kriegsende und die Absetzung des Zaren aus. Trotz anfänglicher Versuche, die Lage unter Kontrolle zu bringen, brach die öffentliche Ordnung in der Hauptstadt komplett zusammen, als sich zunächst das Wolinski-Regiment und dann noch weitere Einheiten weigerten, ihre Befehle auszuführen. Die Duma bildete eine demokratische Übergangsregierung und Nikolaus dankte ab (sein Bruder Michael lehnte klugerweise das Angebot der Duma ab, seinem Bruder auf den Thron nachzufolgen). Die Demokratie, die nun das Russische Reich abgelöst hatte, wurde schon bald selbst von der Sowjetunion abgelöst.